Walter Janka – Ein ungewöhnlicher Lebenslauf

Tapferer Mensch und Kommunist durch und durch“

Dem ehe­ma­li­gen Ver­le­ger im Ost­ber­li­ner Auf­bau-Ver­lag und Freund Wal­ter Jan­ka ge­wid­met.

von Wolf­gang Windhausen

Wal­ter Jan­ka – ein tap­fe­rer Mensch und Kom­mu­nist durch und durch, der sich von Ju­gend an für sei­ne Über­zeu­gun­gen und Idea­le en­ga­gier­te und vie­le Nach­tei­le in Kauf ge­nom­men hat. Er war ei­ner der pro­mi­nen­tes­ten re­form­kom­mu­nis­ti­schen In­tel­lek­tu­el­len, die nach dem XX. Par­tei­tag in Mos­kau 1956 eine De­mo­kra­ti­sie­rung der DDR verlangten.

Vie­len in der DDR wur­de der Name Wal­ter Jan­ka erst ein Be­griff, als im Ost-Ber­li­ner Deut­schen Thea­ter der Schau­spie­ler Ul­rich Mühe am 28. Ok­to­ber 1989 aus den Er­in­ne­run­gen Wal­ter Jan­kas „Schwie­rig­kei­ten mit der Wahr­heit“ ge­le­sen hat­te. Über Freun­de vom Fern­se­hen hat­te ich noch eine Kar­te für die schnell aus­ver­kauf­te Le­sung be­kom­men. Die to­tal über­füll­te Ver­an­stal­tung am Abend wur­de auch mit Laut­spre­chern auf den Vor­platz übertragen.

Berlin, Juli 1955: Aufbau-Verlags-Leiter Janka (r.) an einer Pressekonferenz mit DDR-Kulturminister Johannes R. Becher (Mitte) und dessen persönlichem Referenten K. Tümmler
Ber­lin, Juli 1955: Auf­bau-Ver­lags-Lei­ter Jan­ka (r.) an ei­ner Pres­se­kon­fe­renz mit DDR-Kul­tur­mi­nis­ter Jo­han­nes R. Be­cher (Mit­te) und des­sen per­sön­li­chem Re­fe­ren­ten K. Tümmler

Die­se Le­sung Jan­kas zähl­te zu je­nen Trop­fen, die das Fass zum Über­lau­fen ge­bracht ha­ben in der vom Ver­fall er­grif­fe­nen Deut­schen De­mo­kra­ti­schen Re­pu­blik. Mich be­weg­te das al­les der­art, dass ich Kon­takt mit Wal­ter Jan­ka auf­nahm, der mich dann zu ei­nem Kaf­fee in sein Haus nach Klein­mach­now bei Ber­lin ein­lud. Aus die­ser ers­ten Be­geg­nung, der noch vie­le folg­ten, ent­wi­ckel­te sich eine von Ach­tung und Herz­lich­keit ge­präg­te Freund­schaft, die bis zu Jan­kas Tod währte.

Verwundet im Spanischen Bürgerkrieg

Der Autor mit Walter Janka (rechts)
Der Au­tor mit Wal­ter Jan­ka (rechts)

In den Ge­sprä­chen be­rich­te­te der 1914 ge­bo­re­ne Wal­ter Jan­ka aus sei­nem er­eig­nis­rei­chen Le­ben: Von sei­ner Leh­re und dem Be­ruf als Schrift­set­zer, von sei­nem Ein­tritt in die KPD und von sei­ner Ver­haf­tung nach der Macht­er­grei­fung der Na­zis 1933 als Mit­glied der Kom­mu­nis­ti­schen Par­tei. Er wur­de zu­erst in das Zucht­haus Baut­zen und an­schlies­send in das Kon­zen­tra­ti­ons­la­ger Sach­sen­hau­sen ge­bracht. Sein äl­tes­ter Bru­der Al­bert war KPD–Reichstags-Abgeordneter und wur­de 1933 im KZ Rei­chen­bach ermordet.
Wal­ter Jan­ka wur­de nach der Haft aus Deutsch­land aus­ge­wie­sen und er­leb­te drei Jah­re lang eine teils schlim­me Zeit in den In­ter­na­tio­na­len Bri­ga­den des Spa­ni­schen Bür­ger­krie­ges. Wie er wei­ter er­zähl­te, war er dort an al­len gros­sen Schlach­ten be­tei­ligt und wur­de drei­mal schwer ver­wun­det, dar­un­ter mit zwei Lun­gen­steck­schüs­sen, die ihm auch spä­ter noch zu schaf­fen mach­ten. Er er­zähl­te von der In­ter­nie­rung in Frank­reich und der Flucht 1941 nach Mexiko.

Mitbegründer des Exilverlages El Libro Libre

Janka mit seiner Lebensgefährtin Charlotte Schulz
Jan­ka mit sei­ner Le­bens­ge­fähr­tin Char­lot­te Schulz

In Mar­seil­le lern­te er sei­ne spä­te­re Frau Char­lot­te Scholz ken­nen, die mit ihm zu­sam­men nach Me­xi­ko ging. Dort traf er mit Ge­nos­sen zu­sam­men, die Mit­be­grün­der der Be­we­gung so­wie der Zeit­schrift „Frei­es Deutsch­land“ wa­ren. Jan­ka war auch Mit­be­grün­der des Ver­la­ges El Li­bro Lib­re, des­sen Lei­ter er spä­ter wur­de. Die­ser Ver­lag war der be­rühm­tes­te und er­folg­reichs­te Exil­ver­lag auf dem Ame­ri­ka­ni­schen Kon­ti­nent in dem, ne­ben 30 an­de­ren Bü­chern, auch Anna Seg­hers be­deu­ten­des „Sieb­te Kreuz“ und Egon Erich Kischs „Ent­de­ckun­gen in Me­xi­ko“ ver­öf­fent­licht wurden.
Er kehr­te im Ja­nu­ar 1947 mit sei­ner Le­bens­ge­fähr­tin, die er dann hei­ra­te­te, zu­sam­men mit Lud­wig Renn nach Ber­lin zu­rück und wur­de Ge­ne­ral­di­rek­tor der DEFA. An­fang 1952 über­nahm er mit dem Auf­bau-Ver­lag den be­deu­tends­ten bel­le­tris­ti­schen Ver­lag der DDR. U. a. schrieb er für Blochs „Wis­sen und Hof­fen“ das Vor­wort, und un­ter sei­ner Ägi­de er­schie­nen Werk­aus­ga­ben von Hein­rich und Tho­mas Mann, Ar­nold Zweig, Leo­nard Frank, Ge­org Lu­kacs und Ernst Bloch.
Wal­ter Jan­ka be­rich­te­te mir von Be­geg­nun­gen mit Hall­dor Lax­ness in Ber­lin, der bei sei­nen Be­su­chen dort nie die Vor­stel­lun­gen des „Ber­li­ner En­sem­bles“ ver­säum­te, und der Jan­ka auch zur No­bel­preis­ver­lei­hung nach Stock­holm ein­lud. Ich er­fuhr auch von sei­nen Be­zie­hun­gen zu Tho­mas Mann in Kilch­berg; weil Tho­mas Mann die Ho­no­ra­re für sei­ne in der DDR ge­druck­ten Bü­cher nicht aus­füh­ren konn­te, liess er sich da­für ei­nen Nerz­man­tel in Ost-Ber­lin fer­ti­gen, den Jan­ka ihm in die Schweiz brach­te.( Ne­ben bei be­merkt: Eri­ka Mann leis­te­te sich aus die­sem Gut­ha­ben, an­läss­lich ei­nes Ber­lin­be­su­ches, ei­nen Persianermantel).
Im Lau­fe der Ge­sprä­che streu­te Wal­ter Jan­ka mit­un­ter auch An­ek­do­ten von Be­geg­nun­gen mit be­deu­ten­den Per­sön­lich­kei­ten in Ost und West ein, so u. a. von dem Be­such Tho­mas Manns in Wei­mar 1955, von Leo­nard Frank, Jo­han­nes von Guen­ther und Erich Käst­ner. Be­son­ders fas­zi­niert war Jan­ka von ei­nem Be­such bei Char­lie Chap­lin am Gen­fer See, wel­chen Tho­mas Mann ver­mit­telt hatte.

Schauprozess wegen konterrevolutionärer Verschwörung

DDR-Justiz-Ministerin und Schauprozess-Vorsitzende im Ulbricht-Staat: Hilde Benjamin, genannt
DDR-Jus­tiz-Mi­nis­te­rin und Schau­pro­zess-Vor­sit­zen­de im Ulb­richt-Staat: Hil­de Ben­ja­min, ge­nannt „Die blu­ti­ge Hilde“

Nach dem Un­garn-Auf­stand wird Jan­ka am 6. De­zem­ber 1956 ver­haf­tet. Ihm wird „kon­ter­re­vo­lu­tio­nä­re Ver­schwö­rung“ ge­gen die Re­gie­rung Ulb­richt vor­ge­wor­fen. Im an­schlies­sen­den Schau­pro­zess be­schul­digt man ihn, er habe „das Haupt der Kon­ter­re­vo­lu­ti­on Ge­org Lu­kacs“ von Bu­da­pest nach Ost-Ber­lin schmug­geln wol­len. Jan­ka er­zähl­te mir, wie be­trof­fen er ge­we­sen sei, dass nie­mand sei­ner Kol­le­gen und Freun­de ge­gen die un­wah­ren Be­haup­tun­gen im Pro­zess pro­tes­tier­te; Anna Seg­hers, Wil­li Br­e­del, Bodo Uhse, He­le­ne We­igel und an­de­re,  die von Ulb­richt „ver­don­nert“ wa­ren am Pro­zess teil­zu­neh­men, blie­ben stumm. Jan­ka be­rich­te­te eben­falls von dem Pro­zess, in dem er sich trotz bru­ta­ler Ver­hö­re und übels­ter Haft­be­din­gun­gen kein Ge­ständ­nis ab­pres­sen liess. Das gros­se In­ter­es­se der Re­gie­rung an die­sem Pro­zess wur­de da­durch do­ku­men­tiert, dass die ge­fürch­te­te Hil­de Ben­ja­min, die da­ma­li­ge DDR Jus­tiz­mi­nis­te­rin, häu­fig per­sön­lich an ihm teil­nahm. (Hil­de Ben­ja­min wur­de im DDR-Volks­mund auch die „Rote Guil­lo­ti­ne“, „Rote Hil­de“ oder „Blu­ti­ge Hil­de“ ge­nannt, weil sie für eine Rei­he von Schau­pro­zes­sen ge­gen Op­po­si­tio­nel­le, So­zi­al­de­mo­kra­ten und will­kür­lich an­ge­klag­te Per­so­nen so­wie für zahl­rei­che To­des­ur­tei­le mit­ver­ant­wort­lich war). Sehr aus­führ­lich schil­dert Wal­ter Jan­ka den Schau­pro­zess in sei­nem Buch „Schwie­rig­kei­ten mit der Wahr­heit“ (Ro­wohlt 1989). Ob­wohl Jan­kas An­wäl­te mu­tig für Frei­spruch plä­dier­ten, wur­de er zu fünf Jah­ren Zucht­haus mit ver­schärf­ter Ein­zel­haft ver­ur­teilt, die er im Staats­si­cher­heits­ge­fäng­nis Baut­zen ver­brach­te. In Baut­zen er­krank­te er so schwer, dass sei­ne Frau ihre ei­ge­ne le­bens­ge­fähr­li­che Er­kran­kung verschwieg.

Attraktive Angebote aus dem Westen abgelehnt

Das Ehepaar Janka (mit persönlicher Widmung an den Autor)
Das Ehe­paar Jan­ka (mit per­sön­li­cher Wid­mung an den Autor)

Nach sei­ner Ent­las­sung war der einst ein­fluss­rei­che Wal­ter Jan­ka ar­beits­los. De­mü­ti­gen­de An­ge­bo­te lehn­te er ab, ge­nau­so wie at­trak­ti­ve An­ge­bo­te aus dem Wes­ten. Frü­he­re Au­toren ver­hal­fen ihm zu ei­ner Stel­le als Dra­ma­turg bei der DEFA, und Mar­ta Feucht­wan­ger eben­so wie Ka­tia Mann mach­ten Ver­ga­ben von Ro­man-Film­rech­ten an die DEFA da­von ab­hän­gig, dass Jan­ka an der Rea­li­sie­rung mit­wirk­te. Ins­ge­samt zwölf Spiel­fil­me ent­stan­den un­ter sei­ner Be­tei­li­gung, u.a. „Lot­te in Wei­mar“ und „Die To­ten blei­ben jung“.

1972 wur­de Jan­ka pen­sio­niert. In sei­nen letz­ten Jah­ren konn­te er sich wie­der zu Wort mel­den, auch in Pu­bli­ka­tio­nen der DDR zu The­men, die den Spa­ni­schen Bür­ger­krieg be­rühr­ten. Zum 1. Mai 1989, kurz vor sei­nem 75. Ge­burts­tag, wur­de ihm der „Va­ter­län­di­sche Ver­dienst­or­den“ ver­lie­hen. Eine Re­ha­bi­li­tie­rung für das an ihm ver­üb­te Un­recht war das nicht; die­se wur­de erst 1990 vom Obers­ten Ge­richt der DDR ausgesprochen.
1990/91 kommt es zwi­schen Wolf­gang Ha­rig und Wal­ter Jan­ka zu ei­nem Pro­zess we­gen Ver­leum­dung. Jan­ka hat­te in sei­nen Er­in­ne­run­gen Ha­rig we­gen des­sen Ver­hal­ten wäh­rend sei­ner Ver­fol­gung durch das Ulb­richt-Re­gime kri­ti­siert. Die­se Kri­tik wur­de von Ha­rig zu­rück­ge­wie­sen bzw. zu re­la­ti­vie­ren ver­sucht; 1993 en­det das Ge­richts­ver­fah­ren mit ei­nem Vergleich.

Zu­letzt sah und sprach ich Jan­ka an­läss­lich ei­ner mei­ner Le­sun­gen in Ber­lin, ei­ni­ge Mo­na­te vor sei­nem Tod im März 1994. – Über zwei Jahr­zehn­te hin wur­de Wal­ter Jan­ka ver­ges­sen, aber ich hof­fe sehr, dass die­ser in­te­ge­re, sich selbst und sei­nen Idea­len treu ge­blie­be­ne Mensch auch von den Nach­ge­bo­re­nen wie­der ent­deckt und ge­wür­digt wird. ♦


Wolf­gang Windhausen

Geb. 1949, Schrift­stel­ler, Ly­ri­ker, Men­schen­recht­ler; zahl­rei­che Ver­öf­fent­li­chun­gen in Bü­chern und Zeit­schrif­ten des In- und Aus­lan­des, über 20-jäh­ri­ges En­ga­ge­ment bei Am­nes­ty In­ter­na­tio­nal, Mit­glied des In­ter­na­tio­na­len P.E.N. – Trä­ger des „Nie­der­sach­sen-Prei­ses für Bür­ger­en­ga­ge­ment“; Mit­ar­bei­ter des Deut­schen P.E.N.-Komitees „Wri­ters in Pri­son“; Lebt in Duderstadt/BRD und Ber­lin (Foto: H. Hauswald)

Le­sen Sie im Glarean Ma­ga­zin zum The­ma „Kul­tur in der DDR“ auch über
Frie­der W. Berg­ner: Jazz un­ter Ulb­richt und Honegger

… so­wie in der Ru­brik „Es­says und Auf­sät­ze“ von
Do­mi­nik Rie­do: Der Sci-Fi-Vi­sio­när Phil­ip K. Dick

2 Kommentare

  1. Ja, es gab nur we­ni­ge ech­te Kom­mu­nis­ten in der DDR. Wal­ter Jan­ka war ei­ner von de­nen. Der Zie­gen­bart und der Dach­de­cker, das wa­ren keine…

  2. Dem Ge­nos­sen Jan­ka hät­ten die Ver­ant­wort­li­chen der DDR bes­ser zugehört.
    Mei­ne El­tern ha­ben schon weit vor der Wen­de viel über Jan­ka, Ha­ve­mann, Heym und Bar­ro dis­ku­tiert. Das ge­schah im­mer auf den gro­ßen Fa­mi­li­en­fes­ten mit un­se­rer Ver­wand­schaft aus dem Wes­ten. Ob­wohl vie­le Ver­ant­wor­tungs­trä­ger der da­ma­li­gen No­men­kla­tu­ra an­we­send wa­ren, pas­sier­ten die Dis­kus­si­on im­mer rech halblaut.
    Schwie­rig­kei­ten mit der Wahr­heit habe ich 1991 als 14 Jäh­ri­ger ge­le­sen. Wal­ter Jan­ka ist für mich als Kom­mu­nist ein Vorbild.

Kommentare sind willkommen! (Keine E-Mail-Pflicht)